Pflanzenzüchtung: von „Mendel“ bis „Molekularbiologie“
Pflanzenzüchtung und die Geschichte der menschlichen Zivilisation sind untrennbar miteinander verbunden: Vor etwa 12.000 Jahren gingen in der Region des heutigen Irak die ersten Menschen von einer Lebensweise der Jäger und Sammler zur Sesshaftigkeit über und betrieben Ackerbau, wobei sie aus Wildgräsern die ersten Getreidearten züchteten. Seit etwa 7.500 Jahren lässt sich Ackerbau in Mitteleuropa nachweisen. Nach und nach wurden die Vorläufer heutiger Getreidesorten gezüchtet. Im 18. Jahrhundert begann man damit, Pflanzenzüchtung unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben – vor allem, um den immer wieder auftretenden, verheerenden Hungersnöten zu begegnen. Eine der größten Umwälzungen auf diesem Gebiet brachte die sogenannte „Grüne Revolution“ ab Mitte des 20. Jahrhunderts: mit ihren Hochleistungssorten, welche durch einen höheren Ertrag bei gleichzeitig niedrigerem Düngerbedarf, aber auch durch eine stärkere Belastung der Böden gekennzeichnet waren. Seit den 1980er Jahren werden nun verstärkt die Werkzeuge und Methoden der „grünen Biotechnologie“ eingesetzt, um unsere Nutzpflanzen weiter zu optimieren und mit neuen, vorteilhaften Eigenschaften auszustatten.
Wie bei allen züchterischen Bemühungen geht es auch in der Pflanzenzüchtung darum, Sorten mit gewünschten, besonders nützlichen Eigenschaften zu entwickeln: Nutzpflanzen sollen ertragreich, wohlschmeckend, von hoher Qualität und gleichzeitig möglichst genügsam, robust und schädlingsresistent sein.
Bei verschiedenen Getreidesorten stehen Merkmale wie Ertragsreichtum, Resistenz gegen Nährstoff- und Wassermangel sowie Optimierung ihrer Zusammensetzung im Vordergrund. Hierbei kommen sowohl verschiedene klassische als auch molekularbiologische Methoden zum Einsatz, die auch die gentechnische Veränderung von Pflanzen umfassen können. Ein Beispiel für eine Getreideart, deren Zusammensetzung mit klassischen Zuchtmethoden optimiert wurde, ist der sogenannte Doppel-Null-Raps.
Mit gentechnischen Methoden wurde der „Goldene Reis“ entwickelt: Durch Einbau zweier zusätzlicher Gene weist er einen besonders hohen Provitamin-A-Gehalt im Korn auf und soll so schweren Mangelerkrankungen entgegenwirken, welche im ostasiatischen Raum sehr häufig vorkommen.
Die Erzeugung von Bioethanol aus Mais ist mittlerweile weitverbreitet. Problematisch hieran ist unter anderem, dass Mais ein sogenannter Starkzehrer ist – also eine Pflanze mit sehr hohem Nährstoffbedarf, deren großflächiger Anbau die Umwelt stark belasten kann. Hier gehen die Zuchtbemühungen dahin, anspruchslosere Sorten zu entwickeln.
Die Forderung nach Resistenz gegen Schadinsekten und Krankheitserreger ist eine weitere Herausforderung für die Pflanzenzüchtung, die sich ebenso wie der Bedarf an salz- und trockenresistenten Nutzpflanzen weiter verstärken wird. Hier werden beispielsweise mit gentechnischen Methoden Resistenzgene aus fremden Arten eingebaut (zum Beispiel bei Mais). Doch auch bei Arten, bei denen die klassische Züchtung sehr schwierig ist, kann die grüne Biotechnologie Vorteile bringen: So wird zum Beispiel daran gearbeitet, Resistenzgene aus Wildkartoffeln mit biotechnologischen Methoden auf ertragreiche Kartoffelsorten zu übertragen, um sie gegen die verheerende Kraut- und Knollenfäule (verursacht durch den Pilz Phytophthora infestans) zu schützen.
In der Pflanzenzüchtung kann zwischen klassischen und modernen Methoden unterschieden werden. Die klassische Pflanzenzüchtung wählt Pflanzen aus, die bestimmte Eigenschaften (einen bestimmten PhänotypPhänotyp
Der Phänotyp ist die Gesamtheit aller äußerlich feststellbaren und physiologischen Merkmale eines Individuums.
) aufweisen und vermehrt diese weiter. Die Erbeigenschaften der Pflanze (GenotypGenotyp
Der Genotyp ist die gesamte genetische Ausstattung eines Individuums.
) bleiben dabei unberücksichtigt. Die klassische Zucht hat große Erfolge gezeigt, allerdings ist sie, unter anderem aufgrund der Generationenfolge der Pflanzen, mühsam und langwierig. So hat es über 100 Jahre gedauert, bis die heutige Form der Zuckerrübe mit ihrem hohen Zuckergehalt gezüchtet war.
Moderne biotechnologische Methoden können hier erhebliche Verbesserungen bringen. Ein Beispiel hierfür ist das SMART BreedingSMART Breeding
„Präzisionszucht“, bei der das Erbgut von gekreuzten Pflanzen genau analysiert wird, um danach die passenden Kreuzungspartner oder gezielt zu selektieren. Dabei entstehen keine transgenen Pflanzen, da keine artfremden Gene in die DNA eingebaut werden.
(aus dem englischen „Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies“), zu Deutsch „Präzisionszüchtung durch markergestützte Selektion“. Hierbei wird die Auswahl nicht aufgrund des Phänotyps, sondern aufgrund molekularer Marker getroffen, die mithilfe molekularbiologischer Methoden analysiert werden. Um diese markergestützte Selektion (marker assisted selection) nutzen zu können, muss bekannt sein, welche Gene den gewünschten Eigenschaften zugrunde liegen. Zwar sind die Genome einiger Nutzpflanzen schon vollständig sequenziert, in der Regel greift man jedoch auf Erbgutbereiche zurück, die in der Nähe oder im Idealfall sogar innerhalb des interessierenden Gens liegen und im ersten Fall meist, im zweiten Fall immer gemeinsam mit diesem vererbt werden: sogenannte molekulare Marker. Aus den verschiedenen Typen molekularer Marker, die bei diesem Verfahren genutzt werden, seien zwei beispielhaft herausgegriffen:
Einer ist der sogenannte Vervielfältigte-Fragmentlängen-Polymorphismus (AFLP). Mithilfe spezifischer molekularer Scheren wird das Pflanzengenom in kleine Abschnitte zerteilt, von denen dann wiederum mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCRPCR
Die PCR (Polymerase Chain Reaction), Polymerase-Kettenreaktion, ist ein Verfahren zur Vervielfältigung einzelner DNA-Abschnitte.
) ein Teil vervielfältigt und analysiert wird. Nach dem gleichen Prinzip wird beispielsweise in der Forensik ein „genetischer Fingerabdruck“ erstellt. Die zurzeit am häufigsten genutzten Marker sind sogenannte Mikrosatelliten. Hierbei handelt es sich um kurze DNA-AbschnitteDNA-Abschnitte
DNA (engl. Abk. für Desoxyribonukleinsäure) ist die Trägerin der Erbinformation und enthält in Form von Genen die Bauanleitungen für Ribonukleinsäuren (RNA) und Proteine, die für die Regulation aller biologischen Prozesse in der Zelle notwendig sind. Die DNA wird aus einer doppelsträngigen Nukleinsäure gebildet, die strickleiterartig in Form einer Doppelhelix organisiert und aus Nukleotiden aufgebaut ist. Jedes Nukleotid besteht aus einem Zucker (Desoxyribose), einem Phosphatrest und einer von vier organischen Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin.
, die aus nur zwei bis vier Basen bestehen. Sie sitzen meistens an einer bestimmten Stelle im GenomGenom
Gesamtheit aller Erbinformationen eines Organismus. In Eukaryonten verfügt jede Zelle in ihrem Zellkern über die gesamte Erbinformation.
, wiederholen sich bis zu hundert Mal und können ebenfalls durch die Polymerase-Kettenreaktion nachgewiesen werden.
Eine weitere wichtige Methode in der modernen Pflanzenzüchtung stellt die grüne Gentechnik dar. Dabei werden mithilfe molekularbiologischer Methoden Gene unter Umgehung des Erbgangs direkt übertragen. Erfolgt diese Übertragung über Artgrenzen hinweg, werden die so gezüchteten Arten als transgentransgen
Gentechnisch veränderte Organismen, denen ein artfremdes Gen hinzugefügt wurde.
bezeichnet. Innerhalb der Artgrenzen (wie beim oben genannt Beispiel der Kartoffel), spricht man von cisgencisgen
Als cisgen werden Organismen mit genetisch neu kombinierten und eingeschleusten Gensequenzen bezeichnet, die nicht aus artfremden, sondern aus derselben Art stammen.
. Gentechnisch veränderte Pflanzen wurden im Jahr 2013 weltweit auf 170 Millionen Hektar angebaut. Beispielsweise drei Viertel der weltweiten Soja-Ernte stammen aus gentechnisch veränderten Sojapflanzen. In Deutschland spielen transgene Pflanzen gegenwärtig aus Akzeptanzgründen keine Rolle.