Zellen und Gewebe im Fokus neuer Therapien
Zurzeit sind etwa 30.000 Krankheiten bekannt, an denen der Mensch erkranken kann. Gerade die Krankheiten, die in den nächsten Jahren die Top 3 der deutschen Volkskrankheiten ausmachen werden (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neurodegenerative Erkrankungen – unter anderem Demenz, Alzheimer und Parkinson – sowie Krebs), sind bis heute entweder nur behandel- aber nicht heilbar oder teilweise sogar nur sehr schwer diagnostizierbar.
Dies liegt unter anderem daran, dass bei diesen Krankheiten Gewebe zerstört wird oder eigenes Körpergewebe entartet. Einen neuen Ansatz diese Krankheiten zu heilen, verspricht die Regenerative Medizin. Hierbei wird das eigene Potenzial zur Regeneration von Geweben oder Strukturen untersucht und versucht, dieses anzuregen bzw. Zellen kurzfristig dem Körper zu entnehmen, zu behandeln und anschließend dem Körper zurückzuführen, damit dieser sich selbst heilen kann.
Schaut man sich im Tierreich um, bilden Säugetiere im Bereich der Regeneration eine Ausnahme. Während andere Wirbeltiere wie Fische und Amphibien durchaus in der Lage sind Gliedmaßen oder Teile von Organen wie Herz oder Gehirn nach großen Verletzungen zu regenerieren, ist die Regenerationsfähigkeit bei Säugetieren enorm eingeschränkt. Zwar sind wir in der Lage Knochenbrüche zu heilen oder Schnittverletzungen zu überleben, jedoch geschieht dies nur bei vergleichsweise kleinen Wunden und ist häufig mit der Bildung von Narbengewebe verbunden. Dieses Narbengewebe hat andere Eigenschaften als das ursprüngliche Gewebe und kann die Funktion gesunder Gewebe stören. So bildet es zum Beispiel bei Rückenmarksverletzungen eine Barriere, sodass Nerven, die durchtrennt wurden und das Bestreben haben wieder zusammenzuwachsen dies nicht mehr können. Trotzdem steckt das Potenzial zur Regeneration in uns. Unter normalen Bedingungen bilden sich jeden Tag neue Hautzellen, dadurch wird unsere komplette Hautoberfläche circa alle zwei Wochen ausgetauscht. Dies liegt an den Stammzellen, die sich in sogenannten Nischen befinden und dafür sorgen, dass einige Zell- und Gewebetypen sich ständig neu bilden können. Für Organe mit einer hohen Belastung wie Leber, Darm und auch das Blutsystem (Knochenmark) sind diese adulten („erwachsenen“), multipotenten Stammzellen schon relativ lange bekannt. Jedoch ist das Problem dieser Stammzellen, dass sie relativ weit entwickelt (differenziert) sind und sich nur in die jeweiligen Zelltypen des speziellen Gewebes differenzieren können (multipotent). So wird sich aus einer Leberstammzelle nicht ohne weiteres eine Darmzelle bilden. Für diese Organe sind die adulten Stammzellen jedoch sehr wertvoll.
Die einzigen Stammzell-Therapien, die heute schon angewendet werden, arbeiten mit adulten Stammzellen und richten sich häufig auf die Bildung von Ersatzgewebe außerhalb des Körpers, das später als Eigentransplantat eingesetzt wird und somit Abstoßungsreaktionen vermeiden helfen kann. Dieses Verfahren bezeichnet man als Geweberekonstruktion oder auch Tissue Engineering.
Seitdem die Forschung immer mehr über die embryonalen Stammzellen (ES) lernt, gibt es jedoch die Hoffnung auf Regeneration von komplexeren Strukturen und Geweben, die nach gegenwärtigem Wissensstand keine Stammzellen besitzen. ES werden aus dem Blastozyst-Stadium von Embryonen gewonnen. Dieses Entwicklungsstadium ist dadurch gekennzeichnet, dass nach einigen Zellteilungsrunden der Embryo eine Kugel bildet, die mit Zellmasse (den ES) gefüllt ist. Diese inneren Zellen sind pluripotentpluripotent
Als pluripotent bezeichnet man die Fähigkeit von embryonalen Stammzellen, sich in vitro und in vivo in Zellen aller drei Keimblätter (Entoderm, Ektoderm und Mesoderm) sowie in Zellen der Keimbahn auszudifferenzieren.
, das heißt sie sind in der Lage sich in alle Körpergewebe zu entwickeln. Allerdings sind für die Gewinnung dieser Zellen „verworfene“ Embryonen aus der In-Vitro-Fertilisation notwendig, die bei der Isolierung der ES zerstört werden. In Deutschland regelt das Embryonenschutz- und Stammzellgesetz die Nutzung von embryonalen Stammzellen sehr streng und gestattet – nach erfolgreichem Durchlaufen eines Genehmigungsverfahrens – nur die Arbeit mit embryonalen Stammzelllinien, die vor dem 01.05.2007 gewonnen wurden. Auch das Einführen neuerer Stammzelllinien aus dem Ausland ist strengstens untersagt. Eine vielversprechende Entwicklung auf diesem Gebiet wurde 2006 durch die Entdeckung der iPS (induzierte pluripotente Stammzellen) angestoßen. Diese werden durch „Umprogrammierung“ differenzierter Zellen gewonnen, zunächst aus Hautzellen, mittlerweile auch aus anderen Geweben. Bis 2006 galt es als unmöglich, einmal differenzierte Zellen wieder in ihren Ursprungszustand zu versetzen. Jedoch ist es amerikanischen Forschern mittlerweile gelungen, durch die Aktivierung von gerade einmal vier Genen in diesen Zellen genau dies zu erreichen. Seitdem hat das Feld in Deutschland neue Impulse erhalten.
Eine weiter wachsende Bedeutung haben Stammzellen und künstlich hergestellte Gewebe mittlerweile im Bereich der Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie bei der Entwicklung von Ersatzmethoden für Tierversuche.
Anwendungsbeispiele der obengenannten Verfahren und Therapien:
Tissue Engineering und adulte Stammzellen
Stammzellen und künstlich hergestellte Gewebe in Ersatzmethoden für Tierversuche