Medizintechnik: Von „Protein“ bis „Prothese“
Die Medizintechnik begegnet uns in allen Bereichen, in denen Menschen ihre Gesundheit erhalten, verbessern oder wiederherstellen wollen. Sie umfasst ein weites Spektrum an technischen Methoden und Verfahren, die Diagnosen und Therapien immer sicherer, zuverlässiger, schonender und effizienter machen. Aufgrund der großen Bandbreite medizintechnischer Anwendungen und Verfahren stützt sie sich auf eine Vielzahl von wissenschaftlichen und technischen Disziplinen. Viele Bereiche der Medizintechnik wären dabei ohne die Impulse und Beiträge der Biotechnologie nicht vorstellbar.
Durch zahlreiche Erkrankungen, aber auch durch Unfälle, können Gewebe oder Organe in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt oder ganz zerstört werden. Einer der ältesten Ansätze beispielsweise bei Verlust von Gliedmaßen ist der Einsatz technischer Prothesen. Biotechnologisch ausgerichtete Ansätze der Medizintechnik verfolgen eine andere Strategie: Hier sollen die verlorenen bzw. eingeschränkten Funktionen nicht durch technische Materialien wiederhergestellt werden, sondern durch den Einsatz körpereigener Zellen und Gewebe. So können zum Beispiel patienteneigene Zellen im Labor vermehrt und anschließend genutzt werden, um zerstörtes Gewebe wieder aufzubauen. Sehr gut etabliert ist dies schon bei der sogenannten autologen Chondrocytentransplantation, die bei Schädigungen des Gelenkknorpels, insbesondere im Kniebereich, eingesetzt wird.
Auch bei komplexeren Strukturen werden bereits Erfolge erzielt. Beispielswiese gelang es bis 2013 schon bei etwa einem Dutzend Patienten weltweit eine zerstörte oder nicht angelegte Luftröhre zu ersetzen. Allerdings befindet sich diese Behandlung, bei der entweder das Kollagengerüst einer Spenderluftröhre oder ein künstliches Gerüst mit patienteneigenen Zellen besiedelt wird noch in der experimentellen Phase. Für die so behandelten Patienten war dieser Eingriff die letzte Chance.
Ein weiteres Beispiel ist der Ansatz von Forschern des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauferkrankungen: Ihr Ziel ist es, im Labor Herzgewebe nachzuzüchten, welches dann bei Infarktpatienten auf die geschädigten Bereiche des Herzmuskels aufgeklebt oder aufgenäht werden könnte. Bis solche und ähnliche Ansätze das mögliche Fernziel der „Nachzucht“ komplexerer Gewebe oder gar kompletter Organe erreichen, ist es freilich noch ein weiter Weg.
Die Nutzung von Biomarkern, also von biologischen Molekülen, welche durch ihre quantitative oder qualitative Veränderung Krankheitsprozesse anzeigen hat großes Potenzial unter anderem bei der Diagnose von Krebserkrankungen. Ein Beispiel hierfür ist das Adenokarzinom des Magens – wird es durch endoskopische Methoden (Magenspiegelung) entdeckt, so ist dieser Tumor meist schon weit fortgeschritten und die Prognose ist entsprechend schlecht. Magenkrebs stellt weltweit die zweithäufigste tumorbedingte Todesursache dar. Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München arbeiten an der Entwicklung einer Frühdiagnose, die diese Situation verändern hilft.
Seit längerem weiß man, dass bestimmte Tumorzellen bei Bestrahlung mit kurzwelligem Licht im sichtbaren Lichtspektrum leuchten. Man spricht hier auch von Autofluoreszenz. Während man sich dieses Phänomen bei Speiseröhrenkrebs schon zunutze machen kann, gibt es bei der Magenkrebsdiagnose nach diesem Prinzip noch einige Hindernisse. Daher versuchten die Münchner Wissenschaftler zusammen mit ihren Kollegen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg mithilfe der Proteomanalyse zum Beispiel bestimmte EnzymeEnzyme
Enzyme sind Proteine, die als Katalysatoren bestimmte biochemische Reaktionen beschleunigen. Sie sind von zentraler Bedeutung für alle Stoffwechselvorgänge in einem Organismus und katalysieren z.B. den Fettabbau (Lipasen), spalten Stärke (Amylasen) und verdauen DNA (Nukleasen).
oder Wachstumsfaktoren als Biomarker zu identifizieren, welche spezifisch für Magenkrebszellen sind. Bei der Untersuchung soll dann zunächst ein Fluoreszenzfarbstoff in den Magen eingebracht werden, der an diese Moleküle bindet (Fluoreszenzfarbstoffe geben bei Anregung mit UV-Licht sichtbares Licht ab). Bei der anschließenden Untersuchung mit einem speziellen Endoskop, welches über eine UV-Lampe verfügt, sollten die kranken Zellen dann durch Aufleuchten erkennbar werden. Zwar gelang es den Münchner Wissenschaftlern bisher nicht, solche magenkrebsspezifischen Biomarker zu entdecken, allerdings fanden sie neue, sogenannte prognostische Marker, die zukünftig die Therapiechancen von Magenkrebspatienten wesentlich verbessern könnten. Das neue Prinzip der Fluoreszenzendoskopie kann vielleicht schon in einigen Jahren in klinischen Studien seine Bewährungsprobe erleben.
In-vitro-Systeme („in-vitro“ = „im Reaktionsgefäß“) spielen eine enorme Rolle bei der Diagnose von Erkrankungen. Ansätze, welche diese Verfahren noch zuverlässiger, sicherer und gleichzeitig kostengünstiger machen sollen, stützen sich auch auf die Ergebnisse biotechnologischer Forschung. So entwickelt ein BMBF-gefördertes Konsortium das In-vitro-Diagnose-System „Easy-Tube“, welches in den Abmessungen einem 50 Milliliter-Standardreaktionsgefäß entspricht und auf breit vorhandener Laborausstattung wie Zentrifugen und Photometern (einem Gerät zur Messung der Lichtabsorption in einer Probe) aufsetzt. Zurzeit befinden sich zwei diagnostische Tests in der Entwicklung: einer zum Nachweis der DNADNA
DNA (engl. Abk. für Desoxyribonukleinsäure) ist die Trägerin der Erbinformation und enthält in Form von Genen die Bauanleitungen für Ribonukleinsäuren (RNA) und Proteine, die für die Regulation aller biologischen Prozesse in der Zelle notwendig sind. Die DNA wird aus einer doppelsträngigen Nukleinsäure gebildet, die strickleiterartig in Form einer Doppelhelix organisiert und aus Nukleotiden aufgebaut ist. Jedes Nukleotid besteht aus einem Zucker (Desoxyribose), einem Phosphatrest und einer von vier organischen Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin.
des gefürchteten Krankenhauskeims methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) in Patientenblut, der andere zur schnellen Bestimmung des Blutspiegels von Procalcitonin – einem Hormonvorläufer, der bei bestimmten bakteriellen Infektionen vermehrt gebildet wird.