Biotechnologie in der Pharmazie
Noch immer kann nur ein Bruchteil der bekannten Krankheiten therapiert werden. Entsprechend groß ist das Potenzial der Biotechnologie für den Arzneimittelsektor. Mit ihrer Hilfe lassen sich Wirkstoffe gewinnen oder neu entwickeln, die sonst nur in sehr geringer Menge oder unzureichender Reinheit herstellbar wären.
Von der ersten Idee für einen neuen Arzneimittelwirkstoff bis zu seiner Markteinführung vergehen durchschnittlich 12 bis 15 Jahre. Auf diesem langen Weg werden oftmals tausende von Stoffen auf ihre mögliche Eignung für die Therapie einer bestimmten Erkrankung getestet. Am Schluss steht nur eine einzige chemische Verbindung, die sich auch in den klinischen Studien an großen Patientengruppen als wirksam und unbedenklich erweist.
Der modernen Pharmaforschung stehen heutzutage viele innovative Wege für die Entwicklung neuer Wirkstoffe offen. Beispielsweise bieten große, systematisch verwaltete Sammlungen chemischer Substanzen (sogenannte Substanzbibliotheken) die Basis, um nach neuen Wirkstoffkandidaten zu suchen. Biotechnologische Testsysteme mit isolierten Biomolekülen oder Zell- und Gewebekulturen ermöglichen bereits zu einem frühen Zeitpunkt des Forschungsprozesses verlässliche Aussagen über die Eignung einer potenziellen Wirksubstanz.
Je genauer die molekulare Ursache einer Erkrankung bekannt ist – beispielsweise ein verändertes Eiweiß – desto präziser können Biowissenschaften, Informatik und Chemie passgenaue Hemmstoffe dagegen erzeugen. Dabei sind die Arzneimittelwirkstoffe zum Beispiel entweder kleine chemische Verbindungen, Erbmoleküle oder auch komplex gebaute Eiweißstoffe.
Die Forschung sucht außerdem nicht nur nach dem optimalen Wirkstoff, sondern auch nach „Vehikeln“, mit denen er zielgerichtet an den Ort der Krankheitsentstehung transportiert werden kann. Nanoteilchen, Fettbläschen (Liposomen) oder auch die Eiweißhüllen von Viruspartikeln befinden sich für diesen Zweck in der Erprobung. Ziel ist es, auf diesem Weg zum Beispiel die Nebenwirkungen von Chemotherapeutika in der Krebsmedizin möglichst gering zu halten.
Während der letzten Jahrzehnte hat die gentechnische Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Mit Stand 2013 waren fünf Prozent aller bereits zugelassenen Wirkstoffe gentechnischen Ursprungs – bei den jährlich neu eingeführten Wirkstoffen betrug der Anteil jedoch schon 15 bis 25 Prozent.
Die Produktion mithilfe der Gentechnik erlaubt es, oft äußerst seltene, körperidentische Eiweißstoffe des Menschen für den medizinischen Einsatz zu erschließen. Diese wertvollen Stoffe müssen dabei nicht mehr aus Blut oder Gewebe gewonnen werden, sondern können von BakterienBakterien
Die Bakterien sind mikroskopisch kleine einzellige Lebewesen, die keinen Zellkern besitzen und deshalb auch als Prokaryonten zusammengefasst werden.
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Hefen sind einzellige Pilze, die sich durch Sprossung oder Teilung (Spaltung) vermehren. Sie werden mittlerweile häufig in der Biotechnologie als Produzenten für bestimmte Eiweiße eingesetzt.
oder Säugetierzellen unter Laborbedingungen mit höchster Reinheit und in ausreichenden Mengen hergestellt werden.
Laut dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) waren in Deutschland im Mai 2013 mindestens 156 Arzneimittel mit 117 gentechnisch produzierten Wirkstoffen zugelassen. Diese entfallen auf Anwendungsbereiche wie Diabetes, Multiple Sklerose und rheumatoide Arthritis, Krebserkrankungen, angeborene Stoffwechsel- und Gerinnungsstörungen sowie Schutzimpfungen.